Im Universum steht die Quantenphysik über der Chemie

Rolf Froböse


Im Universum regiert die Quantenphysik über die Chemie

 

Im Universum gibt es fernab von Energiequellen organische Verbindungen, die es nach der Chemie gar nicht geben dürfte. Hierfür verantwortlich ist die Quantenphysik. Mit Hilfe von Tunneleffekten stellt sie die klassische Lehrmeinung buchstäblich auf den Kopf.

 

Forscher der britischen Universität Leeds gelang eine sensationelle Entdeckung. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature Chemistry“ berichteten, existieren im Weltall organische Moleküle als Bausteine des Lebens, die es bei den dort herrschenden Temperaturen von – 200 °C und darunter überhaupt nicht geben dürfte.

 

„Die klassische Chemie besagt, dass chemische Reaktionen mit abnehmender Temperatur immer langsamer ablaufen und in der Nähe des absoluten Nullpunktes zum Erliegen kommen“, erklärt Teamleiter Dwayne Heard. Die Entdeckung komplexer organischer Moleküle stellte die Forscher vor die Frage, wie diese Substanzen entstanden sind. Bisher glaubte man, dass kosmischer Staub als eine Art Katalysator fungieren könnte. Bei nachfolgen Laborexperimenten konnte indessen gezeigt werden, dass das aus einem Kohlenstoff- einem Sauerstoff und drei Wasserstoff-Atomen bestehende Radikal Methoxy auf diese Weise nicht gebildet werden kann. Die Methoxygruppe ist ein essentieller Baustein der organischen Chemie und findet sich im Universum unter anderem in einer rund 600 Lichtjahre entfernten Molekülwolke im Sternbild des Perseus.

 

„Die Lösung des Rätsels liefert die Quantenphysik“, erläutert Heard. Während „klassische“ chemische Reaktionen zur Überwindung einer Barriere auf die Zufuhr externer Energie angewiesen sind, ist es in der Quantenwelt möglich, dieses Hindernis einfach zu unterwandern. Bildlich betrachtet kann man diesen Effekt mit einem Autofahrer vergleichen, der sich bei der Überquerung der Alpen nicht für eine steile Passstrasse sondern für einen bequemeren Tunnel entscheidet.

 

Heard und seine Kollegen sind davon überzeugt, dass derartige Tunneleffekte im Universum allgegenwärtig sind und die Quantenphysik in der Kälte des Universums über die Chemie dominiert. Wie weit diese Art der chemischen Evolution als Vorstufe der biologischen Evolution einen Beitrag zum Aufbau komplexer organischer Verbindungen leistet, ist zurzeit noch völlig offen. Ein natürliches Labor gibt es vergleichsweise vor unserer Haustür. Der Saturnmond Titan besitzt eine dichte Atmosphäre, die der Uratmosphäre unserer Erde ähnelt. Auf seiner Oberfläche warten zahlreiche organische Verbindungen auf ihre Entdeckung. Auch unter den dort herrschenden Bedingungen dürfte die Quantenphysik die Regie führen, denn bei Temperaturen von rund – 180 °C verharrt die klassische Chemie in einem Dornröschenschlaf.

Rolf Froböse

 

Der Verfasser ist promovierter Chemiker und Verfasser zahlreicher populärwissenschaftlicher Bücher. In seinem Werk „Die geheime Physik des Zufalls“ (Editon BoD) beschreibt er, wie sich bizarre      Quantenphänomene im täglichen Leben bemerkbar machen.

 

 

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Felix qui potuit rerum cognoscere causas  

 

 

Gemäß dem Vergilschen Motto bietet die Augustinus-Akademie ein Studienforum zur geistigen Neuorientierung, Vertiefung eigener Schwerpunkte und Erweiterung und Ergänzung vorhandener (Er-)Kenntnisse.  Viele Gelehrte sind angefüllt mit einer selbst erarbeiteten Wissenschaft, oft erweisen sie sich aber als ungeeignet, durch ihr Wissen einen besonderen Eindruck auf die Mitmenschen zu machen, also ihr Wissen adäquat weiterzugeben. Selbst Kult-Wissenschaftler Albert Einstein gehörte zu solchen. Als lehrender Professor an  der Vorgängeruni der Humboldt-Universität versagte er komplett. Es gibt nicht wenige Gelehrte, die ihr geistiges Werk für sich behalten oder es nur im kleinen Kreis präsentieren, sie gelten als "Privatgelehrte". Andere drängt es zur Arbeit am Schreibtisch und späteren Publikationen, von denen sich hier durch kleine oder größere wissenschaftliche Aufsätze einige wiederfinden. Im wissenschaftlichen Austausch kann es es anstehen, die Rede- und Lehrkunst zu erlernen. Vom stillen Leser und Lerner entwickelt man sich zum sozial denkenden Wissenschaftler, der in der Studiengruppe seine Position hat, Wissen weitergibt und annimmt. 

 

Ästhetik-Professor Bazon Brock findet eine ganz eigene Definition von "Akademie":

 

"Die Akademie ist der Versuch, eine Gemeinschaft zu bilden, die dem Academus entspricht, eine Akademie ist ein Zusammenschluß von Menschen, die sich in anstrengenden Zeiten, vornehmlich in Zeiten des Analphabetismus und der allgemeinen Zerstreuung durch kriegerische oder sonstige evolutionäre Prozesse wechselseitig garantieren, daß das, was sie tun, sinnvoll ist. Wir schreiben, wir malen, wir musizieren, wir komponieren und spielen Theater.

 

D.h. eine Akademie wäre ein Zusammenschluß von Menschen, die sich als Schreiber garantieren, daß das Schreiben einen Sinn hat, weil es Leute gibt, die es lesen: nämlich alle anderen Mitglieder der akademischen Gemeinschaft, denn das ist sehr sinnvoll, wenn wir zur Gemeinschaft des akademischen Typs gehören; dann übernehmen wir die Verantwortung dafür, daß Schreiben, Musizieren, Malen sinnvoll von den Malern, Schreibern, Komponisten betrieben werden kann, weil es Leute gibt, die lesen, betrachten, die zuhören und zwar wirklich auf der Ebene der Gleichwertigkeit  des Rezipienten zum Produzenten.

 

 Das hat eine sehr mäßigende und erzieherische Maßnahme, nämlich wenn wir 100 Akademiker in einer  Gemeinschaft hätten, dann könnte jeder Schreiber, um eine Seite zu publizieren nur die Möglichkeit, gelesen zu werden, einklagen, indem er 99 Seiten seiner Kollegen liest.

 

Es ist nur derjenige "Maler", der würdigt, was andere gemalt haben, sonst ist es sinnlos, Maler zu sein. Also sind Akademien heute dringender als je zuvor, Zusammenschlüsse von Leuten, die die Sinnhaftigkeit ihres eigenen Tuns in aller gutsinnigsten Weise begründet haben möchten: diejenige Vergesellschaftung, in der man sich gegenseitig Sinnhaftigkeit garantiert."

 

                     Prof. Dr. Bazon Brock: Kunst als unabdingbare Kritik an der Wahrheit, Vortrag vom 29. Januar 2014

                                                                                                  Bazon Brock ist Rektor der DENKEREI in Berlin SO36